Mittwoch, 22. Oktober 2008

Wurde 1850 die Wärme abgeschafft?

Ein fast leeres Blog hat den Charme eines neuen dicken Tagebuches, in das man erst einen einzigen Eintrag hineingeschrieben hat. Insbesondere, wenn schon mehrere Tage nach diesem ersten Eintrag vergangen sind...

...zum Glück liegt der Grund des Nichteintragens in dieses Blog nicht in Langeweile oder in mangelnden Erlebnissen oder Ideen. Bis heute habe ich so viel unterschiedliches und anregendes erlebt, dass ich theoretisch hätte jeden Tag mehrere Einträge schreiben können.


Heute ging ich aus dem Haus um kurz etwas aus dem Kofferraum meines Wagens zu holen. Mehr im Augenwinkel fielen mir Gang und Gestalt eines guten Bekannten auf. Ich schaute genauer hin: er war es und so verzichtete ich auf den Gang zum Auto.

Wir kamen, wie meist, in ein sehr tiefgehendes Gespräch. Nachdem ich ihm ein wenig von meinen neuesten Erlebnissen mit dem Fachbereich Thermodynamik berichtet hatte, kam heraus, dass er sich kürzlich mit der Frage beschäftigt hatte, ob und wie Nominalisten zum direkten geistigen Erfassen des Wesens einer tieferen Wirklichkeit kommen könnten.

Gestern hatte ich an der Uni Siegen gelernt, dass etwa Mitte des 19. Jahrhunderts die Wärme in der Wissenschaft abgeschafft wurde. Wie mir ein Professor etwas salopp formuliert sagte: Aus Frust darüber, dass Wärme sich nicht so, wie aufgrund des Energie-Erhaltungs-Gesetzes erwartet, verhalten habe.

Deutlich wurde in einer Vorlesung, dass es viel zu aufwendig erscheint die Wirklichkeit exakt zu beschreiben und man daher für eine wirtschaftlich effektive Nutzanwendung mit Modellen rechnet die nicht der Wirklichkeit entsprechen, die bestenfalls nur grobe Annäherungen sein können.

Wobei in der Naturwissenschaft leicht übersehen oder vergessen wird, dass selbst eine extrem komplizierte Formel zwar wirklichkeitsgemäßer, aber noch lange nicht die Wirklichkeit selbst wäre (hmm... wäre eventuell eine Formel-"Kunst" denkbar, mit deren Hilfe man rein geistige Wirklichkeiten erfassen könnte?).

Auch in der Biographie-Arbeit kann ich forschend vorgehen. Erlebnis um Erlebnis.

Aber kann ich in der Biografie-Arbeit der Wirklichkeit meines Lebens ganz nah kommen? Kann ich mein Leben, meinen Lebenslauf sozusagen "Haut an Haut" oder gar "ich ganz und gar in meinem Leben" begreifen, erfassen, erfahren? Und das vielleicht sogar so konkret, dass ich es in seinem weiteren Verlauf gegenwärtig gestalten kann, ohne es zu vergewaltigen oder beliebig zu werden?

Ein letztes Verständnis sei nicht möglich ohne Liebe, sagen große Geister (hier, wenn ich mich recht erinnere, war es Christian Morgenstern). Gilt das nicht auch für das Leben selbst? Wie aber kann ich ohne Wärme mein Leben erkennen?
.


Hoffentlich
schafft niemand
aus seinem Leben
die Wärme ab!

Es ist schon tragisch genug, dass es der all zu kühlen "Objektivität" der Naturwissenschaft passiert ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

eine humorvoll bebilderte Homage an "Desiderata"